Giorgio Bassani
Schriftsteller
Seinen Ruhm gründet er vor allem auf die Prosa, mit der er 1962, als der Roman Die Gärten der Finzi-Contini erschien, einen Durchbruch erlebte. In Bassanis Werk spiegeln sich alle kulturellen und gesellschaftlichen Bereiche Ferraras im 20. Jh. wieder, die Stadt der jüdischen und der katholischen Gemeinschaft, die Stadt der hohen Bourgeoisie wie die der unteren Schichten. Die Orte, Straßen und Plätze, die Bassani erwähnt, erkennt jeder in der Stadt wieder, doch in seinen Romanen erhalten sie eine ganz eigene Konnotation: Corso Ercole I d’Este, die Hauptachse der Addizione Erculea, wird hier als Straße beschrieben, die “geradlinig wie ein Schwert” zum Haus der Finzi-Contini führt; die Mauer, die “im hellen Tageslicht den Schloßgraben säumt”, wird durch die dunklen, dramatischen Farben des Gemetzels befleckt, bei dem 1943 elf ferrareser Bürger erschossen wurden (Eine Nacht von ‘43); die Stadtmauern an der Porta degli Angeli werden für den Protagonisten der Gärten der Finzi-Contini zum Zufluchtsort, nachdem er erfahren hat, daß er in Mathematik durchgefallen ist. Die Gedenktafel an der Fassade der Synagoge, die an die Deportation der ferrareser Juden erinnert, wurde zum Titel der Erzählung Eine Gedenktafel in der Via Mazzini und das Haus, in dem seine Familie wohnte, erscheint in dem Kurzroman Hinter der Tür. Diese und viele andere Orte sind eng mit der Prosa von Bassani verbunden und gehören teils direkt zu seiner Biographie. Ihre Faszination besteht gerade darin, daß es zwischen Vorstellung und Realität immer wieder konkrete Entsprechungen gibt und die alltägliche Umgebung durch den literarischen Filter der Erinnerung in neuem, völlig ungewohntem Licht erscheint.